heute habe ich eine aktuelle Rezension von mir:
Eire Rautenberg: ‚Traumgeboren‘,
Araki-Verlag 2011, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, 120 Seiten, 14,80
€, ISBN: 978-3-941848-01-6
Eire
Rautenberg, eigentlich Inge Rautenberg, nennt sich aufgrund ihrer Liebe zur
‚Grünen Insel‘ Eire. Bekannt ist sie weniger durch die Publikation ihres
autobiografischen Romans ‚Dona da Casa – Herrin des Hauses – Eine Liebe in
Portugal‘ die schon 1994 erfolgte, sondern eher durch zahlreiche Publikationen
in Anthologien und spirituellen Zeitschriften wie AHA, Shekinah, Tattva Viveka,
etc., die alle durchweg lesenswert sind.
Hier
liegt nun die zweite, überarbeitete und erweiterte, Auflage ihres 2002
erschienenen Gedichtbandes ‚Traumgeboren‘ vor. Wie stets präsentiert der
Araki-Verlag von Georg Dehn eine besondere Publikation. In Anlehnung an
Friedrich Nieztsche könnte man sagen: ‚Ein Gedichtband für alle und keinen‘. Die
Gedichte des Bandes sind in neun Themenbereiche gegliedert. Der erste
Themenkomplex (‚Verborgen‘) geht um den Dichter und das Dichten bzw. Kunst an
sich. Der Künstler (bzw. Eire als Dichterin) will sich nicht nur mitteilen. Ein
Kunstwerk (Gedicht) ist wie eine Geburt, das Hervorbringen von etwas
Einzigartigem; es soll in dieser Welt lebendig Wirken, soll ein Dienst an der
Menschheit sein und erhofft keinen Lohn wohl aber Kritik bzw. Resonanz.
Nicht
nur der zweite Themenkomplex ‚Ich bin‘ hat autobiographische Züge. Er zeigt das
Rad der Zeit von Geburt bis Alter. Eine ‚Reise‘ vom ‚Wachsenland‘ , welches als
Kind betreten wurde bis hin zur ‚Altertumsforschung‘. Schon hier wird deutlich,
daß die Dichterin auch Kritikerin ist und gesellschaftliche Probleme anspricht.
Es geht darum auch würdevoll alt zu werden, das Kind in sich zu wahren, frei zu
bleiben. Durchweg verwendet Eire Metaphern (z.B. Wachsenland für Kindheit), die
nicht immer leicht zu verstehen sind, oft erst im Kontext oder der Reflexion
klarer werden. Ebenso erschafft sie, im kreativen Prozess des Werdens ihres
Gedichtbandes, stets neue Worte und Wortkombinationen (Garten der Kindheit für
Erleben als Kind), die ihre Botschaften auf den Punkt bringen.
Weitere
Themen sind Spiritualität (thematisiert unter ‚Maat‘ und ‚Heidenarbeit‘),
Beziehungen (Kapitel ‚Zwischen uns‘ und ‚Mein Herz stolpert dir nach‘), sowie Freiheit
– nicht nur als Rede- und Denkfreiheit – wie in den Kapitel ‚Rede mit
Engelszungen‘ oder ‚Kein Blatt vor dem
Mund‘.
In
ihrer Verehrung der alten Götter tritt ihre naturreligiöser Lebens- und
Sichtweise hervor, die in ‚Mondgöttin‘ einen Höhepunkt erreicht und einer
Anrufung der Mondgöttin gleicht. Eire nennt es auch ein ‚liturgisches Gedicht
für acht Stimmen im Kreis…‘ im Untertitel. Das weiblich Spirituelle, die
Intuition, die Naturverbundenheit wird in der neuen Auflage auch in Beziehung
zu ihren späteren Erfahrungen in Kulten bzw. Orden gesetzt, ihre Rationalität,
Gruppenbindung und Elitedenken. Klar betont Eire immer wieder Werte wie
Freiheit, Liebe, Natur, Menschsein in natürlicher Art und Weise. Ebenso hat sie
den nötigen Humor und Zynismus negative Eigenschaften (wie z.B. Egoismus,
Narzissmus) in der ihnen gebührenden Weise darzustellen.
Mühe
hatte der Rezensent mit der Form. Diese wird schon in der Reflexion über Kunst,
in ihrem Gedicht ‚Kunst‘, welches auch auf dem Rückumschlag abgedruckt ist, aufgehoben.
Kunst
Der Durst
nach Stoff
nach Form
nach Werk
dies erkennen
sich entbinden
wenn vollendet
auslöschen
Meist
handelt es sich um zwei bis fünfzeilige Verse, die selten einem Reimschema
unterworfen sind, wenn dann ggf. a:b, a:b. Der Begriff ‚unterworfen‘ wurde
bewußt gewählt, da das häufig hohe abstrakte oder metaphorische Niveau sich
kaum in Jamben oder Trochäen ausdrücken ließe. Schon die Einteilung in Zeilen
und Verse stellt oft ein Problem dar, da Zeilen oder Verse nicht immer als ‚Sinneinheiten‘
auftreten und durch das bewußte Weglassen der Interpunktion manchmal etwas
schwer zu lesen bzw. verstehen sind. Sinn- oder Spracheinheiten (Satz) gehen oft
über einen Vers hinaus, wobei im selben Vers auch schon die nächste Sinn- oder
Satzeinheit beginnt. Vielleicht hätte ein Übergang in das Lyrische dem Werk
besser gestanden. Natürlich ist sich der Rezensent um die Problematik des
Lyrik-Begriffes und der Lyrik-Diskussion bewußt, dennoch soll hiermit nicht allein
die Zugehörigkeit zur poetischen Gattung gemeint sein, sondern gilt „demnach
als stimmungshafte Verschmelzung von Subjekt und Objekt als Ergebnis der
Verinnerlichung der gegenständlichen Wirklichkeit“. (siehe Metzler Literatur
Lexikon: Stichwort
Lyrisch) Es ist stets Eires Wirklichkeit, die sie uns mitteilt, ihr Leben,
Denken, Fühlen, sowie Weisheiten und Erfahrungen, an denen sie uns teilhaben
läßt. Auch wenn sie als Jahrgang 1956 nicht mehr ‚so‘ jung ist, so ist sie doch
im Herzen jung und spricht zu uns von Herz zu Herz, welches die Aufhebung aller
Formen möglich machen könnte (also auch der Versform). Wer sich durch die
Themen und Verse angesprochen fühlt wird eine Bereicherung erfahren, wenn er
sich Zeit und Ruhe zum Genießen, Reflektieren und Verstehen nimmt, vielleicht
auch zum Forschen (Mythologien, Religionen), Leben (Lieben) oder Nachahmen (Kampf
um Freiheiten, ‚Revolution‘).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen